Page 25 - Rituale - in Beratung und Therapie
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2.5.2 der innere Raum
Die innere Struktur von Ritualen beschreibt Arnold van Gennep, in
seinem 1909 entstandenen Werk „The Rites of Passage“. Victor Turner
baut in seinen Untersuchungen hierauf auf und entwickelte diese weiter.
Seine Leistung ist es, auf eine spezifische Phase im rituellen Prozess
hingewiesen zu haben, die er die Übergangsphase (liminale Phase)
nennt.
Van Gennep ist der Auffassung, dass alle Übergangsriten aus drei
Stufen bestehen. Diese sind in allen Ritualen zu finden, die eine Art von
Veränderung oder Bewegung thematisieren. Jedes Verhalten, das die
dreigliedrige Struktur von „separation, transition, and incorporation“ –
also Trennung, Umwandlung und Eingliederung − aufweist, stellt für ihn
folglich einen Übergangsritus dar.
Die erste Phase ist die Phase der Trennung vom vertrauten
Bezugsrahmen, die Separation. Das entspricht in einem Initiationsritual
z.B. einer Trennung der Initianden von ihren Familien, von ihrem
üblichen Lebensraum und von ihren gewohnten Handlungsabläufen.
Damit wird das Ritual als Sinn- und Handlungszusammenhang zu etwas
Außergewöhnlichem, zu einer Ritualzeit, die sich vom Alltäglichen
unterscheidet.
Die zweite Phase nennt Van Gennep die „zentrale Übergangszeit“ die
Marge. Sie besteht aus dem Hineingeführtwerden in eine andere Welt,
d.h. in einen ungewohnten Lebenszusammenhang, in eine andere
Dimension des Bewusstseins, einen Zeitraum für eine Grenzerfahrung
im Ausnahmezustand. Der Initiand befindet sich in dieser Zeit außerhalb
des gewohnten sozialen Kontextes und außerhalb der üblichen,
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